HR/IT TALK Episode #42

Organisationsformen, Benchmarks & Kennzahlen in der Recruitingpraxis


Jetzt teilen:

Share on FacebookShare on TwitterShare on WhatsappEmail Link

In 2022 hat der deutsche Arbeitsmarkt das Rekordausschreibungsvolumen von 2019 deutlich übertroffen. Insbesondere im Recruiting von qualifizierten und hochqualifizierten Fach- und Führungskräften sind Engpässe an der Tagesordnung und stellen Recruiting-Abteilungen vor immer größere Herausforderungen.

Kennzahlen und Benchmarks können dabei helfen, genau diesen Herausforderungen in der Praxis besser begegnen zu können. Wie dies genau funktionieren kann, diskutiert projekt0708 Geschäftsführer Michael Scheffler zusammen mit Jan Kirchner, Geschäftsführer bei der Wollmilchsau GmbH.

 

Ergänzende Informationen zu dieser Episode:

 

Das Interview zum Nachlesen 

HR Analytics im Recruiting: Wie Kennzahlen und Benchmarks helfen, Engpässe zu überwinden
Michael Scheffler:

Im Detail werden wir heute über Studienergebnisse, Recruitingmethoden und Lieblingskennzahlen diskutieren und damit herzlich willkommen zu dieser Folge von HR-IT-Talk, mein Name ist Michael Scheffler. Servus Jan, willkommen zurück bei HR-IT-Talk. Wir haben erst kürzlich an gleicher Stelle über das spannende Thema Candidate Experience diskutiert. Heute wollen wir uns dem nicht weniger spannenden Thema HR Analytics im Umfeld des Recruitings zuwenden und ja so richtig tief in die Materie einsteigen. Zuvor Jan, möchte ich dich bitten für alle die, die dich noch nicht kennen, vielleicht kannst du dich nochmal persönlich vorstellen mit zwei, drei Worten. 

Jan Kirchner:

Servus Michael. Erstmal vielen Dank für die Einladung. Ja ich bin Jan Kirchner, ich bin einer von zwei Geschäftsführern der Wollmilchsau GmbH, komme ursprünglich aus dem operativen Recruiting und habe da vom Blue Color Facharbeiter bis zum Ingenieur, Arzt, alles schon mal selber rekrutiert und bin dann vor zehn Jahren in das ganze Thema digitales Recruiting reingerutscht und beschäftigte mich vor allem mit der Optimierung von digitalem Recruiting, viel auch mit KPI und Analytics, was wir dann ja heute auch weiter ausleuchten. 

Michael Scheffler:

Genau. Vielleicht zuvor, du hast erwähnt, du bist Geschäftsführer bei Wollmilchsau GmbH, fand ich schon immer gut den Namen, aber vielleicht kannst du noch mit zwei, drei Sätzen was zu eurer Company sagen. Was für eine Mission habt ihr denn bei Wollmilchsau? 

Jan Kirchner:

Unsere Mission ist den Zufall aus dem Recruiting zu nehmen und das machen wir mithilfe des Produkts Job Spreader. Der Job Spreader vereint im Grunde zwei Themen. Das ist einmal das Thema Programmatic Job Advertising, also automatisiert Bewerberreichweite im Internet zu generieren und zum anderen das Thema Talent Acquisition Intelligence, d. h. also auch für die Jobs der Kunden entsprechende Marktdaten zur Verfügung zu stellen und datenbasiert Recruitingprozesse zu optimieren. Das haben wir alles in ein Produkt gegossen. 

Michael Scheffler:

Den Zufall aus dem Recruiting nehmen, finde ich gut (lacht). Keine schlechte Mission.  

Jan Kirchner:

Nichts, was man innerhalb von einem Jahr erreichen kann, aber man kann dran arbeiten. 

 

Recruiting-Strukturen-Benchmark: Eine Studie zur Professionalisierung von Recruiting-Organisationen
Michael Scheffler:

Okay Jan, dann lass uns bitte inhaltlich durchstarten. Im ersten Schritt möchte ich auf eure Mitte 2022 erschienene Studie „Recruiting-Strukturen-Benchmark“ eingehen. Die hattest du mir ja freundlicherweise im Vorfeld zur Verfügung gestellt. Gemeinsam mit der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig sowie der Deutschen Gesellschaft für Personalführung habt ihr die erstellt. In dem Rahmen wurden rund 1.400 Personen in HR-Funktionen vom Juni bis August 2022 online befragt, also eine doch sehr relevante Zahl. Erzähle doch mal. Was war denn eure Motivation und worum ging es genau in dieser Studie? 

Jan Kirchner:

Die Motivation, die durchzuführen, war die, dass ich in vielen Gesprächen zum Thema „wie sind einzelne Recruitingorganisationen strukturiert, wie machen die ihr Recruiting, Personalmarketing, Employer Branding?“ und auch „wie messen die das Ganze?“ festgestellt habe, dass es auf die Frage „wie baue ich eine erfolgreiche Recruitingabteilung?“ keine empirische Antwort gibt. Das fand ich relativ schwierig, weil du ja normalerweise alle anderen Unternehmensfragen genau auf der Grundlage planst, d. h. wenn du eine Organisation planen willst, die erfolgreich ist bspw. im Vertrieb, dann guckst du eben vorher schon „wie viele Gebiete habe ich, die ich im Vertrieb betreuen muss? Kann ein Vertriebler ein Gebiet betreuen oder sind das vielleicht mehrere Vertriebler?“. Da wird man sich halt erstmal Daten holen bevor man anfängt den Plan zu machen und offensichtlich existierten eben genau diese Daten fürs Recruiting nicht.

Das war der Moment, als mir das klar wurde, wo ich dann auf die DGFP zugegangen bin und dann haben wir den Professor Wald von der HTWK Leipzig noch dazu geholt als wissenschaftliche Begleitung, um das gleich ein für alle Mal sauber aufzusetzen und eben diese Benchmarkdaten zur Verfügung zu stellen. Hintergrund aus der Praxis war, dass wir eben gemerkt haben, es gibt einen sehr großen Professionalisierungsdruck im Recruiting, aufgrund der verschiedenen Trends, mit denen wir uns da konfrontiert sehen und im Grunde ist es eben so, dass solange die Benchmarkzahlen fehlen, dass man bspw. jemanden braucht, um ein Active Sourcing aufzusetzen oder sowas. Das kriegt man ja intern nicht vernünftig verargumentiert.

Der HR-Bereich insgesamt leidet ja noch ein bisschen darunter, dass er als Verwaltungsbereich gesehen wird und Verwaltungskosten sind des Teufels und da wird nicht immer direkt der Zusammenhang zu der wertschöpfenden Rolle des Recruitings gesehen, dass wenn man die Mitarbeiter nicht rankriegt, kann man hinten auch kein Business machen. Das wollten wir im Prinzip einmal alles in Zahlen fassen. Das sollte diese Studie leisten.  

Michael Scheffler:

Das heißt wenn ich das richtig verstanden habe und die Studie verlinke ich natürlich in den Shownotes für alle Interessierten, das kann man auf eurer Website runterladen, hilft die Studie und die Ergebnisse dabei, dass Unternehmen ihr eigenes Recruiting und ihre eigenen Bemühungen auf dem Gebiet besser verorten können. Beispielsweise Rückschlüsse darüber zu ziehen, ob die gewählte HR-Organisationsform wie etwa das Personalreferentenmodell, auf das ihr auch eingeht, oder das 3-Säulen-Modell noch passend sind und ob das in der Praxis auch gut zum Einsatz kommen kann bzw. die genutzten Kennzahlen, die richtigen sind. Ist das so korrekt? 

Jan Kirchner:

Ja genau. Wir wollten die Möglichkeit geben das eigene Recruiting an eine Markt-Benchmark zu messen, um dann eben auch zu gucken „ich bin schon ganz gut aufgestellt“ oder „mir fehlt halt in der und der Disziplin vielleicht noch was und wenn ja, wie viel?“. Die Zahlen wollten wir liefern. 

 

Mehr Klarheit über Organisationsformen und Personalkapazitäten: Ergebnisse einer Studie
Michael Scheffler:

Ziemlich genial. Finde ich super. Kannst du vielleicht mal ein Fazit ziehen? Was waren die wichtigsten Erkenntnisse aus der Studie? 

Jan Kirchner:

Die erste große hintergründige Erkenntnis für uns war, dass wir mit dieser Hypothese, dass es die Daten noch nicht gibt oder gab, offensichtlich richtig lagen. Wir haben fast 1.400 Unternehmen dazu gekriegt, dass sie mitmachen. Das waren ja nicht nur Personen, sondern meistens eben eine Person, ein Unternehmen, für ein oder zwei haben vielleicht auch mehrere geantwortet. Das Interesse war riesig.

Wir haben gemerkt, dass die Zahlen auf Unternehmensebene gebraucht werden und wir haben auch von der Verteilung gerade seitens der größeren Organisationen, was eher der Markt ist, in dem wir tagtäglich unterwegs sind, eine sehr große Teilnahme hinbekommen und da auch wirklich viele Entscheidungsträger mit dabei gehabt, sodass wir ein richtig sauberes und empirisch relevantes Benchmark vorlesen konnten. Das war unsere erste positive Überraschung. Von den Erkenntnissen war es so, dass wir übergeordnet gesprochen ein deutlich klareres Bild davon haben, wie sich die verschiedenen Organisationsformen in der Praxis so ausgestalten.

Ob das jetzt das Personalreferentenmodell ist oder eben auch das 3-Säulen-Modell oder die berühmtberüchtigte Mischform, auf die wir bestimmt auch nochmal gleich kurz eingehen und die tatsächlich mit über 40 Prozent auch führend ist. Das war so das eine Thema. Dann eben auch die Personalkapazitäten, also „wie viele Leute sind eigentlich wo im Einsatz? Was für ein Workload hat ein einzelner Recruiter?“.

Wenn wir mal reinschauen, haben wir z. B. festgestellt, dass in gut 60 Prozent der Organisationen Recruiting eine eigenständige Funktion ist. Das kann sein ein dezidiertes Team in kleineren Organisationen. In größeren Organisationen ist es dann natürlich häufig wirklich eine Recruitingabteilung oder ein Recruitingcenter, wenn das entsprechend organisiert ist. Das heißt also, wenn wir uns das anschauen auf die Größe der teilnehmenden Organisationen, dass wir grundsätzlich erstmal sagen können, dass die, die eine entsprechende Größe und ein entsprechendes Hiring-Volumen dann auch mitnehmen, auch schon mal erstmal professionell organisiert sind.

Dann ging es im zweiten Schritt eben darum, im Rahmen dieser „wir sind schon eigenständig als Einheit organisiert“ rauszubekommen, wie die Personalschlüssel sind und mit welchen Jobgruppen die sich im Recruiting beschäftigen und was sie dann eben für Methoden einsetzen. Grundsätzlich sind da natürlich alle Berufsgruppen dabei gewesen. Vielleicht gehen wir gleich nochmal drauf ein, ob es da unterschiedliche Ausprägungen gibt. Generell haben wir versucht das zu clustern, sodass wir hinten heraus auch in der Lage sind, Arbeitsmarktdaten auf diese Cluster zu setzen und haben auf dieser einen Seite den ganzen Experten- und Spezialistenbereich abgefragt und auf der anderen Seite Azubis und Facharbeiter, um das so greifen zu können.

Wenig überraschend, grundsätzlich hat man natürlich große Volumina in diesen Facharbeitsbereichen, aber eben auch im kaufmännisch-administrativen Bereich, das, was alles Corporate Backoffice ist, also die ganzen Zentralfunktionen und natürlich aber auch wie immer und wenig überraschend einen hohen Bedarf an IT- und Softwareentwicklern, aber umgekehrt auch an Ingenieuren und Technikern, also im Prinzip diejenigen, die auch hinter dem Exportweltmeister Deutschland die Produkte wirklich zum einen erfinden, zum anderen aber auch am Laufen halten. 

Michael Scheffler:

Vielleicht kannst du mir, du hast es gerade angesprochen diese 1.400 Personen bzw. Unternehmen, die teilgenommen haben, da nochmal einen kleinen Einblick verschaffen, welche HR-Funktionen denn da so vertreten waren. Waren das ausschließlich Recruiter, Entscheider? Was habt ihr da so an Teilnehmenden gehabt in eurer Studie? 

 

Teilnehmerstruktur der Studie: HR-Generalisten, Recruiter, Entscheider und Strategen für Personalmarketing
Jan Kirchner:

Wir haben dahingehend zwei Fragen gestellt. Einmal „in welcher Rolle arbeitest du selbst?“ und „an wen reportest du?“, weil wir auch ein bisschen die Entscheidungsstrukturen nachvollziehen wollten. Wir hatten mit knapp vier Prozent die kleinste Gruppe als HR-Generalisten ohne Recruitingaufgaben, dann hatten wir mit ein bisschen über 18 Prozent HR-Generalisten mit Recruitingaufgaben.

Dann haben wir relativ viele, mit fast 16 Prozent, Spezialisten oder Strategen für Personalmarketing, Employer Branding als Teilnehmer gehabt, was mich sehr gefreut hat, weil die natürlich einen ganz guten Überblick haben über das, was da auch so läuft.

Wenig überraschend gut 20 Prozent Recruiter und jetzt kommen die beiden Zahlen, die uns eigentlich am meisten gefreut haben und zwar haben wir mit fast 25 Prozent der Teilnehmer die Talent Acquisition oder Recruiting Leitung gehabt als Rolle und mit 17 Prozent die HR-Leitung. Wir haben wirklich auch sehr viele Entscheider dabei gehabt. Das hat sich im Prinzip hinten heraus bei den „an wen reportet wird“-Fragen gezeigt, ein Drittel der Teilnehmer reportet direkt an die Geschäftsführung und gut 40 Prozent an die HR-Leitung, wo man dann merkt „das Thema ist grundsätzlich ins Management aufgehängt“.

Die Grundlagen für die Professionalisierung, was das angeht, sind insofern gelegt, als man jetzt solche Benchmarks, aber eben auch andere Themen da direkt durchreichen kann und das deckt sich mit den Erfahrungen, die wir in der Praxis gemacht haben, dass das Thema halt anders als noch vor ein paar Jahren inzwischen eben auch die Management Attention genießt, wenn man das so sagen will. 

 

Erfassung der verschiedenen Unternehmensgrößen und Hiring Volumina innerhalb der Studie
Michael Scheffler:

Wie groß waren die Organisationen?  

Jan Kirchner:

Das haben wir auch abgefragt. Eine Benchmark macht ja nur dann Sinn, wenn ich das halt auch in den entsprechenden Organisationskontext einordnen kann. Wir haben grundsätzlich gesagt, wir wollen allen die Möglichkeiten geben, teilzunehmen und haben dann angefangen als kleinstes Cluster bei 1-49 Mitarbeitern.Da ist natürlich im Normalfall noch kein Recruiter dabei.

Dann hatten wir 50-250, also ganz klassische kleinere Mittelständler. 250-500, 500-1.000, 1.000-2.500, 2.500-5.000, 5.000-10.000, 10.000-50.000 und 50.000-100.000 und dann größer 100.000. Das sind aber in Deutschland nicht mehr so fürchterlich viele. Im Gegenzug haben wir dann noch die Hiring-Volumina abgefragt, also wie viel eingestellt wird.

In beiden Fällen ist es so gewesen, dass die Hälfte derjenigen, die das beantwortet haben, größer als 500 Mitarbeiter erstmal sind. Beim Hiring-Volumen haben wir bei zwei Dritteln der Teilnehmer mehr als 100 Stellen im Jahr und das geht dann hoch bis auf über 10.000. Tatsächlich sind gerade die größeren Organisationen da auch deutlich vertreten, sodass wir eben wirklich sagen können „wir haben da ein sauberes Benchmark“. 

 

Organisationsmodelle im Recruiting - Ergebnisse
Michael Scheffler:

Ja vielen Dank. Nachdem wir jetzt wissen, wer alles teilgenommen hat, würde mich noch interessieren, wie sich denn die teilnehmenden Unternehmen in Sachen Recruiting aufgestellt haben bzw. organisiert haben. Das habt ihr ja auch abgefragt, du hast es gerade schon angesprochen. Was kam denn da so raus? 

Jan Kirchner:

Das fand ich super interessant, weil das hätte ich selber vorher mir nicht zugetraut in Zahlen einschätzen zu können. Das Personalreferentenmodell hatten wir ja jetzt schon zweimal erwähnt, das ist ja so die ursprünglichste Organisationsform. Das ist bei uns in der Abfrage mit ein bisschen über 35 Prozent, ein bisschen mehr als ein gutes Drittel gewesen, was auch ganz grob ohne da direkt von einer Korrelation sprechen zu wollen, es kommt tatsächlich in allen Unternehmensgrößen vor, aber man konnte schon auch sehen, dass es verstärkt in kleineren Organisationen vorkommt.

Demgegenüber steht das HR 3-Säulen-Modell, manchen wahrscheinlich auch als Dave-Ulrich-Modell bekannt. Das waren bei uns knapp 26 Prozent, die in diesem Organisationsmodell arbeiten, wobei man da ganz klar sieht, dass es dann bei größeren Organisationen eben stärker auftritt und als drittes Modell haben wir die berühmtberüchtigte Mischform. Dahinter verbirgt sich zum einen 3-Säulen-Modelle, die vielleicht trotzdem noch irgendwie Generalisten mit drin haben, z. B. in dezentralen Standorten oder so, wo man sagt „wir haben ein klassisches Recruitingcenter und auch ein Center auf Expertise, aber wir haben trotzdem noch generalistische Personaler, die vielleicht auch noch rekrutieren am Standort“ oder aber ich habe ein Personalreferentenmodell, was ursprünglich mal generalistisch war, wo man aber vielleicht erkannt hat, dass das Thema Recruiting über Generalisten nicht so gut abzubilden ist und wo die Recruiter dann zwar noch Personalreferent heißen, aber Personalreferentrecruiting und dann auch wirklich in Vollzeit im Recruiting arbeiten und das gleiche gilt auch für die strategischen Funktionen, Personalmarketing und Employer Branding.

Also hinter der Mischform verbergen sich im Prinzip nochmal verschiedenste Ausprägungen. Im Normallfall kann man aber auch bei denen schon sehen, dass die Mischform häufig dadurch entstanden ist, dass man sich auch um mehr Professionalität und getrenntere Rollen bemüht hat als das jetzt im klassischen Personalreferentenmodell der Fall ist.  

 

Organisationsmodelle im Recruiting: Gibt es das ideale Modell?
Michael Scheffler:

D. h. man kann wahrscheinlich auch Rückschlüsse ziehen einfach auf die Unternehmensgröße, oder? 

Jan Kirchner:

Ja, es ist grundsätzlich schon so, dass auch die Mischform bei den kleineren nicht ganz so doll vertreten ist wie bei den größeren. Ich fand am Spannendsten, dass mit 40 Prozent flächendeckend die Mischform die größte ist. Das liefert ja ein bisschen die Antwort auf „gibt es das ideale Organisationsmodell?“ und ich glaube die Antwort da ist „nein“.

Man merkt das immer, wenn man z. B. in irgendeiner Veranstaltung ist, wo der berühmte Dave Ulrich selber drin ist, dann wollen auch immer alle von ihm wissen „wie müssen wir uns denn jetzt organisieren?“ und man merkt dann, dass er gar nicht so richtig Lust hat dazu Position zu beziehen. Ich glaube das ist auch ganz vernünftig, weil am Ende muss man die Organisationsform ja immer für eine bestimme Organisation wählen und klar, wenn ich das alles super zentral abbilden kann, dann macht natürlich eine zentrale Organisationsform Sinn.

Wenn ich aber halt eine Organisation habe, die historisch gewachsen sehr dezentral ist, dann macht es vielleicht Sinn, eben so eine Mischform zu wählen und zu sagen „wir zentralisieren das, wo wir Synergieeffekte heben können und gleichzeitig wollen wir in den dezentralen Einheiten eine gute Vorort-Betreuung leisten und haben da noch Leute sitzen“.

Insofern habe ich für mich auch aus der Studie gelernt, dass es eben wirklich Sinn macht, sich die Gegebenheiten vor Ort anzugucken, dann darauf zu reagieren und sich jetzt nicht an irgendwelchen Idealmodellen aus der Theorie aufzuhalten.  

 

Welche Hiring Cluster sind für Unternehmen in Deutschland wichtig?
Michael Scheffler:

So, nachdem wir jetzt wissen, wie sich die Unternehmen organisieren, würde mich natürlich auch brennend interessieren, welche Zielgruppen denn rekrutiert werden. Welche Hiring Cluster wählen die Unternehmen aus? 

Jan Kirchner:

Das haben in zweierlei Hinsicht abgefragt. Zum einen haben wir abgefragt, welche Hiring Cluster die wichtigsten sind. Das war dann auf drei Auswahlfelder beschränkt, um da eine gewisse Gewichtung reinzubekommen. Dann haben wir als Ergänzungsfrage dazu gestellt, die erste Frage war „wo ist das größte Volumen, was ihr rekrutiert, in welchen Hiring Clustern?“ und die zweite Frage war die Einschätzung der strategischen Bedeutung.

Das war ganz interessant, weil wir gemerkt haben, dass diese zweite Frage zu sehr viel Verunsicherung geführt hat und das sieht man auch in den Antworten. In den meisten Fällen korreliert das fast miteinander. Es gibt ganz, ganz wenige Jobs, wo es Abweichungen gab.

Wenn wir jetzt hier mal in die Praxis gehen, wir haben bei dem Cluster Fachkräfte und Azubis haben wir bei den kaufmännisch-vertrieblichen Berufen, das sind z. B. Verkäufer im Einzelhandel oder Vertriebsaußendienstler, da haben etwa 31 Prozent gesagt „das gehört bei uns mit zu dem Cluster, was am wichtigsten ist“. 29 Prozent haben gesagt „das ist strategisch für uns mit das Wichtigste“.

Im zweiten Block waren die kaufmännisch-administrativen Berufe, also Administration, Sachbearbeitung, Buchhaltung, Steuern und Recht. Wenig überraschend vom Volumen her sind es fast 50 Prozent, wo das halt eins der größten Cluster ausmacht. Da war es aber relativ deutlich, da haben dann nur 40 Prozent gesagt „das ist für uns strategisch von großer Bedeutung“ und das war auch wirklich mit Abstand der größte Ausschlag, wenn es dann weiter geht Industrie und Technik, da haben wir Berufe aus dem Bereich Bau, Gartenlandschaftsbau, Produktion, Verfahren, Technik und Elektrometall, also diese ganzen klassischen Industrie Blue Color Berufe. Da haben wir ein gutes Drittel, wo das eines der wichtigsten Hiring Cluster ausmacht und im Endeffekt auch nur eine minimal geringere strategische Bedeutung und das zieht sich im Endeffekt bei den Gesundheits- und Sozialberufen durch.

Das war bei 11 Prozent, d. h. die Gesundheits- und Sozialwirtschaft ist durchaus auch drin. Logistikberufe, da konnte man einen kleinen Ausschlag sehen. Da haben knapp 16 Prozent gesagt „das ist bei uns mit die größte Gruppe“ und nur 13 Prozent haben gesagt „das ist auch strategisch am Wichtigsten“.

Diese Unterscheidung fällt den Unternehmen noch schwer, was uns ein bisschen gezeigt hat, dass es intern wahrscheinlich noch nicht ganz klare Kriterien für Priorisierung zwischen unterschiedlichen Hiring Clustern gibt, sondern das wird wahrscheinlich so von Stelle zu Stelle betrachtet. Wenn das Lager dann droht nicht zu funktionieren, dann ist natürlich auch die Fachkraft für Lagerlogistik strategisch wichtig.

Das sind oft eigentlich eher „taktische“, kurzfristige Einflüsse und die langfristige, strategische Perspektive ist da noch nicht drin, was vielleicht auch insofern nicht überrascht, weil das Geschäft des Recruitings ja doch sehr stark jahreszyklisch getrieben ist und von der Planung auch sehr häufig als ad hoc Prozess, so „jetzt ist jemand überraschend in Rente gegangen, den müssen wir jetzt nachbesetzen“ oder jemand hat gekündigt und man merkt halt auch, dass die strategische Perspektive da noch ein bisschen fehlt und wir werden jetzt in einigen Wochen die diesjährige Folgestudie aufsetzen und als Learning aus dieser Betrachtung werden wir dieses Mal mit abfragen, ob es eigentlich eine strategische Personalplanung gibt, weil wir da aus der Praxis schon die Hypothese aufgestellt haben, dass so richtig strategisch das oft noch nicht ist.

Wenn wir dann zu den Experten und Spezialisten gehen, dann haben wir wenig verwunderlich als größtes und auch wichtigstes Cluster den ganzen Bereich IT- und Softwareentwicklung. Das hat für fast 70 Prozent eine strategische Bedeutung und macht bei über 66 Prozent auch mit das größte Volumen aus. Da sehen wir den riesigen Bedarf, den die deutsche Wirtschaft da hat. Ich denke das wird so bleiben.

Bereich Ingenieure, Techniker, Meister ist es ein bisschen weniger. Da sieht man so die Verteilung auch der Industrie. Da haben wir knapp 40 oder 39 Prozent, die sagen „das ist bei uns eines der größtvolumigen Cluster" und knapp 38 Prozent sagen, es ist auch von strategischer Bedeutung. Dann haben wir nochmal einen großen Block in den Corporate Functions, also Finanzen und Controlling, Personal, Marketing, Kommunikation, Design, Compliance. Das ist auch wenig überraschend. Das sind fast 50 Prozent, die sagen „das ist bei uns hier ein wichtiger Block“. Die strategische Bedeutung wird minimal geringer eingeschätzt, aber nicht so, dass es sich lohnt da noch drüber zu reden.

Dann haben wir das Cluster gehabt „erklärungsbedürftiger Vertrieb“, das waren vom Volumen her 18 Prozent, die das als eines der signifikanten Cluster ausgewählt haben und strategische Bedeutung sehr, sehr ähnlich. Da hatten wir noch die Gruppe Ärzte, Pharmazeuten, Psychologen, die spielen aber insgesamt mit acht Prozent nicht so eine riesige Rolle. Da sieht man eher oben bei den Fachkräften, Pflege ist das, was in den ganzen Gesundheitsberufen die großen Zahlen sind und jetzt bei den Ärzten ist es eher die Spezialisierung.

Was ich ganz spannend fand, wir haben ein Cluster gehabt „Sonstige“, damit man sich auch verorten kann, wenn man jetzt in die nicht reinpasst, das ist in Summe mit 15 Prozent gar nicht so furchtbar groß gewesen, dass jemand gesagt hat „wir haben jetzt noch irgendwelche volumigen oder strategisch wichtigen Cluster, die sich in den anderen Clustern nicht wiedergefunden haben“. 

 

Gängige Methoden zur IT-Fachkräfte- und Spezialistenbeschaffung: Ergebnisse einer Studie
Michael Scheffler:

Ich denke, was unsere ZuhörerInnen besonders brennend interessiere dürfte, ist, was die gängigsten Recruitingmethoden sind. Wie werden denn genau diese IT-Fachkräfte und Spezialisten gesucht oder am häufigsten besetzt? Gab es da irgendwelche großen Überraschungen oder gibt es neuartige Ansätze? Ich denke die Klassiker wie Active Souring und Co. sind in der Praxis überall in Verwendung. Hast du da irgendwelche neuen Erkenntnisse für uns?  

Jan Kirchner:

Die erste Antwortmöglichkeit war natürlich Jobbörsen. Wir haben letztlich die Frage so gestellt, dass wir gesagt haben „was sind die Methoden, die ihr nutzt?“ auf der einen Seite und später auch „welche funktionieren für euch am besten?“ und nutzen tun fast 97 Prozent Jobbörsen, also fast alle. Wir haben dann festgestellt, das fand ich ganz interessant, dass in fast 70 Prozent der Unternehmen Mitarbeiterempfehlungsprogramme laufen.

Da stelle ich mir im Nachgang ein bisschen die Frage, wie intensiv die laufen. Da gibt es Firmen, die haben dafür eigene Software und steuern dann auch aus den zentralen Recruitingfunktionen gezielt darein und versuchen Empfehlungen zu generieren und bei anderen ist es dann ein bisschen mit Excel-Sheet und man das hat vor zwei Jahren mal kommuniziert und ein paar Leute haben es noch nicht vergessen, also glaube ich da könnte man auf jeden Fall noch tiefer reingehen.

Dann haben wir das Thema Direktvermittlung, also einfach über Personalberater, Personalvermittler, auch mit zwei Dritteln. Das war jetzt auch keine so große Überraschung. Was mich schon überrascht hat, ist, dass bei Active Sourcing zwei Drittel gesagt haben, sie machen das. Da haben wir später noch die Personalkapazitäten abgefragt und das hat in der Summe bei mir dazu geführt, dass schon der eine oder andere Recruiter, wenn er merkt „es kneift irgendwo ein bisschen“, dann mal ins Sourcing geht.

Die Studie war ja aus einer Organisationsperspektive, d. h. uns hat eher die Frage interessiert „gibt es eine zentrale Sourcingfunktion? und da fällt die Antwort schon ein bisschen ernüchternder aus. Was noch andere große Methoden waren, wir haben das Thema Social Media Performance Marketing mit 60 Prozent.

Azubiabsolventenmessen sind auf jeden Fall ein Evergreen mit auch 58 Prozent. Talentpool haben auch angeblich 50 Prozent der Unternehmen. Das glaube ich erst, wenn ich das in der Praxis wirklich so sehe. Ich glaube, dass das an der einen oder anderen Stelle damit verwechselt wurde „ich habe ein Bewerbermanagementsytem und gucke da nochmal rein“. Ein aktiver Talentpool ist ja doch nochmal ein bisschen was anderes. Aber grundsätzlich scheint es etwas zu sein, was irgendwie auch auf dem Schirm ist.

Fachmessen nutzen 40 Prozent, das hat mich persönlich auch überrascht. Da hätte ich nicht gedacht, dass das in der Fläche schon so weit verbreitet ist. Nicht eben Recruiting oder irgendwie Recruiting-Einstiegsmessen, sondern wirklich zu sagen „ich gehe halt auf eine Fachmesse und rekrutiere mir da Leute“. Die Cebit ist ja inzwischen Geschichte, aber da war das zum Schluss so, dass man das Gefühl hatte, dass der Recruitingteil da fast größer war als der Rest. Das scheint sich aber inzwischen auch in andere Bereiche reinzuschlagen.

Dann haben wir den ganzen Bereich temp to perm, also Überlassung, teilweise Freelancer, das macht etwa ein Drittel. Dann haben wir Performancemarketing in Websuchmaschinen. Also GoogleAds und ähnliche Formate. Das macht etwa ein Drittel. Das hat mich insofern überrascht, weil wir ja vorher festgestellt hatten, dass 60 Prozent Social Media Performancemarketing machen und ich fand es überraschend, dass Social Media da offensichtlich den Websuchmaschinen den Rang abgelaufen hat, obwohl wenn wir jetzt auf das Thema Recruiting gucken, es eigentlich eher sinnvoller wäre, das zuerst in Websuchmaschinen zu machen, wo Leute proaktiv nach Stellen suchen als in Umfelder im Social Web zu gehen, wo das Targeting nicht so toll ist wie uns die ganzen Datenkraken-Diskussion immer glauben machen wollen.

Hier sehe ich im Prinzip noch Potenzial für Unternehmen. Das wird in der Fläche noch nicht so genutzt wie es genutzt werden könnte und das wäre sicherlich auch ein Tipp für unsere Zuhörer. Das ist auf jeden Fall ein unterbewertetes Thema. Wenn ihr also jetzt gerade noch nach Lösungen für euch sucht, dann wäre Performancemarketing bei Websuchmaschinen auf jeden Fall was, was ihr nutzen könnt.

Das gleiche gilt im Endeffekt auch für das Thema Programmatic Job Advertising. Das hat mich jetzt nicht überrascht, weil ich das im Alltag halt jeden Tag mache. Das nutzen etwa ein Viertel der Unternehmen. Da ist also noch Potential drin in der programmatischen Ausspielung von Performancemarketing-Anzeigen.

Was für mich noch eine Überraschung gewesen ist, ist, dass 22,5 Prozent Community Events ausrichten. Daher verbergen sich so Formate wie „wir sponsern ein User Group Treffen oder machen irgendwie anderweitige Formate“, um Leute in Nicht-Recruiting-Events kennenzulernen oder sie entweder dazu zu bringen, dass sie zu mir ins Unternehmen kommen und sie vielleicht merken, dass die Atmosphäre ganz nett ist, um sie dann auf die Idee zu verbringen, dass sie ja da vielleicht anfangen könnten. Oder aber auch, früher hieß das immer „Tag der offenen Tür“, aber einfach so Orientierungsformate, dass da ein Fünftel dran ist systematisch, hätte ich nicht gedacht.

Als letzten Block, damit für mich aber nochmal eine Überraschung war, wir haben das Train and Hire-Programme genannt. Das bezieht sich im Prinzip auf das Recruiting von interessierten und talentierten Quereinsteigern, die dann aber direkt eine Ausbildung erfahren, damit man sie dann auf einer Rolle einstiegen kann. Bekannte Beispiele sind z. B. so Code Schools oder sowas, aber auch Programme, wo ich rekrutiert werde z. B. dafür, dass ich eine gewisse IT-Affinität habe und lerne dann innerhalb einiger Monate z. B. ein bestimmtes Software-Modul zu administrieren oder erwerbe Cisco-Zertifikate oder sowas und kann dann anschließend in solchen Berufen arbeiten, die zwar IT-nah sind, aber wo ich jetzt nicht notwendigerweise ein Informatikstudium brauche.

Das haben immerhin knapp 14 Prozent gemacht und das fand ich deswegen überraschend, weil ich persönlich glaube, dass das in den nächsten Jahren für viele Unternehmen ein Weg sein wird, den sie gehen müssen und auch gehen sollten. Dieser Ansatz im Recruiting, immer die fertigen Mitarbeiter zu bekommen, der ist ganz klar in seinen Grenzen.

Dementsprechend werden Unternehmen offener werden müssen und dass das aber schon fast 14 Prozent sind, hätte ich jetzt auch noch nicht gedacht, weil das doch mit einem ganz schönen Aufwand verbunden ist solche Weiterbildungsprogramme erstmal zu machen, weil das ist ja nicht mit Excel-Kursen und Führungskräftetrainings getan, sondern da muss ich wirklich hart in die Materie rein.

Das war eine Überraschung. 

 

Verbreitete Kennzahlen in der Recruitingpraxis und ihre Nutzung - Ein Überblick
Michael Scheffler:

Die Unternehmen greifen tief in die Trickkiste mittlerweile. In Anbetracht der Zeit können wir vielleicht noch zu einem Thema springen, nämlich dem Thema Kennzahlen bzw. KPIs. Auch hier habt ihr ja mit eurer Studie ein sehr umfassendes Material abgefragt. Kannst du uns da bitte einen Überblick verschaffen?

Welche Kennzahlen werden denn in der Recruitingpraxis verwendet?

Vielleicht kannst du uns auch deine persönliche Lieblingskennzahl noch nennen. Das würde mich auch mal interessieren. 

Jan Kirchner:

Gerne. Tatsächlich wollten wir im ersten Schritt mal rausbekommen, wie weit die Kennzahlennutzung wirklich verbreitet ist und wir haben ähnlich wie oben bei den Job Clustern auch das zweigeteilt abgefragt und zwar haben wir einmal gefragt, welche Kennzahlen regelmäßig zur Recruitingsteuerung genutzt werden und dann haben wir ergänzend abgefragt, welche Kennzahlen die Befragten gerne regelmäßig nutzen würden, um auch so ein bisschen quasi abzuholen, welche Zahlen ihnen fehlen.

Die am weitesten verbreitete Kennzahl, die da ist, ist die time to hire. Sicherlich auch nicht so überraschend, aber mit knapp 65 Prozent ist das die, die also in der Praxis am weitesten verbreitet ist. Spannend bei der war, dass nur 58 Prozent die gerne mehr nutzen wollten, d. h. man merkt gleich schon „das ist eine sehr allgemeine Kennzahl“ und allgemeine Kennzahlen haben ja häufig das Problem, dass sie einen Zustand beschreiben, aber einem keine Infos geben „in welche Richtung muss ich jetzt laufen? Was heißt das jetzt?“.

Da bleibe ich dann im Dunkeln. Bei der zweiten Kennzahl, das war die cost per hire, das erheben knapp 50 Prozent. Da würden gerne zwei Drittel mit arbeiten, d. h. also man merkt, dass viele noch gar nicht in der Lage sind, ihre cost per hire so richtig abzubilden. Was sicherlich teilweise mit dem Thema Messbarkeit von Bewerbungen überhaupt zu tun hat, was ja in vielen Organisationen leider echt ein Problem ist, dass ich die Bewerbungen nicht sauber meinen Ausschreibungskanälen zuordnen kann und dann hinterher halt da stehe und kein sauberes Reporting habe.

Ich denke da werden wir zumindest mehr Interesse in den nächsten Jahren erleben. Das hat sich dann auch gezeigt, wir haben danach abgefragt, ob die channel effectiveness in Bezug auf Bewerbungen und Einstellungen erhoben wird, also „welcher meiner Ausschreibungs- oder Recruitingkanäle hat mir wie viel gebracht?“ und die wird in 45 bzw. knapp 36 Prozent der Fälle schon regelmäßig genutzt.Der Wunsch ist aber in beiden Fällen über 60 Prozent da diese Kennzahl regelmäßig zu nutzen.

Das deckt sich auch mit meinen Praxiserfahrungen, wobei das in der Praxis sehr häufig daran scheitert, dass bspw. die Bewerbermanagementsysteme da noch nicht so weit sind und nicht die Möglichkeit einräumen, die Kanäle sauber wirklich mit der Bewerbungserfassung zu vernetzen und da haben wir ein ganz großes Datenloch. Das konnten wir jetzt hier einmal quasi nachweisen, dass es existiert, aber das wird noch nicht dazu beitragen, diese Datenlücke zu schmälern. Vielleicht ist das ja mal Thema für einen anderen Podcast. Absagequote erfasst fast ein Drittel. Das fand ich auch ganz interessant.

Gerade auch das Thema „wie viele sagen auch uns ab?“. Das würden gerne noch deutlich mehr mit 45 Prozent erfassen. time to fill war ich erstaunt, dass das nur knapp 30 Prozent messen können, aber 50 Prozent gerne wissen wollen würden. Auch da merkt man, dass dieses ganze Reporting in den Recruitingprozess nicht so ganz sauber funktioniert. Das müssten ja eigentlich Kennzahlen sein, die aus einem Recruitingsystem standardmäßig herauszuziehen sind.

Dann haben wir hinten heraus noch so ein paar Kennzahlen gehabt, die offer acceptance rate, also wie viele Angebote werden auch angenommen. Das sind auch knapp 30 Prozent, die das messen können und 40 Prozent würden das gerne messen. Die scheinen da schon den Verdacht zu haben, dass es da eventuell interessante Erkenntnisse zu gewinnen gäbe.

Dann auch so Prozesskennzahlen, time to interview, „wie lange brauchen wir eigentlich, um einen Kandidaten bis zum Interview zu kriegen?“. Es gibt ja häufig noch Verzögerungen nach dem Bewerbungseingang, wenn die dann zur Sichtung in der Fachabteilung liegen oder dann gesichtet wurden und dann muss man irgendwie die Rückmeldung geben, Termine abstimmen und da sind häufig noch große Optimierungspotentiale, das hat sich hier auch gezeigt.

Was mich hinten heraus ein bisschen erstaunt hat war das Thema, dass cost per click nur von knapp 19 Prozent gemessen wird, wir aber ja oben bei den Methoden gehört haben, dass angeblich 60 Prozent Social Media Performancemarketing machen, aber Performancemarketing ohne eine cost per click Betrachtung macht relativ wenig Sinn. Insofern glaube ich ist das eine Kennzahl, die zumindest bei den Personalmarketern in den nächsten Jahren noch stärker kommen sollte.

Im nächsten Schritt sieht es noch finsterer aus bei der cost per application. Nur knapp 13 Prozent nutzen diese Kennzahl regelmäßig und ich glaube das liegt auch daran, weil viele die eben gar nicht bestimmen können. Dann kommen wir ganz zum Schluss zu meiner Lieblingskennzahl.

Meine Lieblingskennzahl ist die cost of vacancy, also die Kosten, die eine unbesetzte Stelle im Unternehmen auslöst, weil meine Erfahrung ist, dass das nicht gesehen wird. Das sind halt versteckte Kosten, die muss keiner irgendwo hin reporten und am einfachsten nachzuvollziehen ist das natürlich immer bei einem Vertriebler. Wenn man irgendwie sagt „ein Vertriebler macht bei uns im Monat 50.000 EUR Durchschnittsumsatz und wenn er halt eben einen Monat nicht da ist, können wir das mit 50.000 EUR Umsatzverlust ansetzen“.

In anderen Bereichen ist das vielleicht nicht ganz so einfach, aber letzten Endes rückt diese Kennzahl so ein bisschen das in die Perspektive. Häufig ist es so, dass für Recruitingmethoden die Budgets knapper sind als sie sein sollten und das gleiche gilt auch, wenn man auf die Zahl der Recruiter guckt.

Ich glaube, dass den meisten Recruitingorganisationen damit geholfen wäre, wenn sie der Organisation helfen zu verstehen, was für Kosten die nicht besetzten Stellen so auslösen, um dann auch vielleicht eine etwas realistischere Perspektive auf die Recruitingkosten zu gewinnen, denn da wird in den nächsten Jahren der Trend einfach so sein, die meisten Organisationen werden zusätzliche Recruiter und Strategen einstellen müssen.

Sie werden auch noch verstärkt in Maßnahmen investieren müssen und das wird zu Kostensteigerungen führen. Die kann man in dem Business Case sehr gut verargumentieren, wenn man halt erklären kann „wenn wir das nicht tun, haben wir auf der anderen Seite eine steigende cost of vacancy, weil ja die Positionen auch immer länger unbesetzt bleiben“. Da muss man eben dafür sorgen, dass die Organisation das auch rechnerisch nachvollziehen kann. 

Michael Scheffler:

Gut Jan. Vielen, vielen Dank für diese sehr tiefen Einblicke in eure Studie „Recruiting-Strukturen-Benchmark“, welche ihr in Kooperation mit dem HTWK Leipzig und dem DGFP erstellt habt. Ich verlinke die natürlich in den Shownotes dieser Podcastfolge, sodass man das im Nachgang auch downloaden und sich angucken kann. Dann bleibt mir nichts mehr anderes übrig als an dieser Stelle nochmals „danke“ zu sagen zu deinem erneuten Auftritt hier in der Show. Ich hoffe demnächst bald wieder. 

Jan Kirchner:

Vielen Dank, hat wieder Spaß gemacht.  

 

Hat Ihnen dieser Podcast gefallen? Dann freuen wir uns sehr über fünf Sterne bei iTunes. Feedback zu dieser Folge oder Themenvorschläge für künftige Episoden gerne per Mail an podcast@projekt0708.com. 

 

Kontakt
Bewerbung