HR/IT TALK Episode #36

Personalentwicklung & New Work im Handel


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Personalentwicklung und New Work werden nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden Digitalisierung von Arbeitsprozessen, dem demographischen Wandel und dem sich verstärkenden Fachkräftemangel eine immer größere Rolle spielen. Zum einen brauchen Arbeitgeber mehr und mehr kompetentes und gut qualifiziertes Fachpersonal. Zum anderen wollen und müssen sich Arbeitnehmer:innen weiterentwickeln, um in der sich schnell ändernden Arbeitswelt bestehen zu können.

Der deutsche Handel bzw. die gesamte Retail Branche unterliegt hierbei ganz besonderen Herausforderungen, über welche sich projekt0708 Geschäftsführer Michael Scheffler mit Ulrike Witt, Leiterin Forschungsprojekt Personal beim EHI Retail Institute unterhält.

 

Ergänzende Informationen zu dieser Episode:

 

Das Interview zum Nachlesen 

Personalentwicklung und New Work
Michael Scheffler:

Personalentwicklungen und New Work werden nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden Digitalisierung von Arbeitsprozessen, dem demografischen Wandel und dem sich verstärkenden Fachkräftemangel eine immer größere Rolle spielen. Zum einen brauchen Arbeitgeber mehr und mehr kompetentes und gut qualifiziertes Fachpersonal. Zum anderen wollen und müssen sich ArbeitnehmerInnen weiterentwickeln, um in der sich schnell ändernden Arbeitswelt bestehen zu können. Der deutsche Handel bzw. die gesamte Retail-Branche unterliegt hierbei ganz besonderen Herausforderungen, über welche ich heute mit Ulrike Witt, Leiterin Forschungsprojekt Personal beim EHI Retail Institute diskutieren möchte. Damit herzlich willkommen zu einer neuen Folge von HR IT-Talk, mein Name ist Michael Scheffler.

Michael Scheffler:

Heute vor dem Mikro ist Ulrike Witt, Leiterin des Forschungsbereiches Personal beim EHI, dem Retail Institute, einem Forschungs- und Bildungsinstitut für den Handel. Frau Witt, darf ich Sie bitten, dass Sie sich mit ein paar einleitenden Worten unseren ZuhörerInnen vorstellen?

Ulrike Witt:

Hallo, schönen guten Tag. Ich leite seit 2019 gemeinsam mit meiner Kollegin Vanessa Tuncer die Forschung im Bereich Personal und Handlung im EHI und zwar im Job Sharing. Das klappt hervorragend, auch wenn ich auf Sylt lebe und Vanessa am EHI-Standort in Köln. Da hat Corona tatsächlich ein bisschen geholfen. Remote Work wäre vorher deutlich schwieriger gewesen. Im EHI selbst bin ich schon ewig. Vorher habe ich im Bereich PR bzw. Unternehmenskommunikation geforscht. Ich bin Psychologin, also alle Themen, die sich mit Menschen beschäftigen, interessieren mich, aktuell finde ich mega spannend, wie die Arbeitswelt sich entwickeln wird, welche Jobs zukünftig relevant sein werden, was die Menschen können müssen, um in der Arbeitswelt zu bestehen und wie neue Technologien diese Menschen unterstützen können.

Michael Scheffler:

Ja Sie leben dort, wo andere Urlaub machen. Da werde ich glatt ein bisschen neidisch, Frau Witt.

Ulrike Witt:

Sie können mich ja gerne mal besuchen kommen.

 

EHI - Das Retail Institut für den Austausch zwischen Wissenschaft und Handel
Michael Scheffler:

Können Sie uns vielleicht noch etwas zu Ihrem Arbeitgeber sagen und ein paar Worte darüber verloren, was das Retail Institute denn so tut? Denn nicht alle unsere ZuhörerInnen sind in der Retail-Branche verortet und insofern ist das vielleicht ein bisschen erklärungsbedürftig.

Ulrike Witt:

Das stimmt sicherlich. Es ist sehr umfangreich. Das EHI ist ein wissenschaftliches Institut des Handels mit ca. 850 Mitgliedern aus dem internationalen Handel, aus Konsum und der Investitionsgüterindustrie, aus dem Dienstleistungssektor. Herzstück ist allerdings unsere Forschung. Wir forschen zu allen relevanten Themen der Branche, z. B. zu Zahlungssystemen, zu Logistik oder eben wie ich und meine Kollegin zu Personal. Wir haben aktuell rund 500 Publikationen im Angebot. Wir sind aber auch eine Networking-Plattform der Branche und veranstalten jede Menge Events. Von Arbeitskreisen über Thementage und digitale Sessions bis hin zu großen Fachkongressen. Wir haben auch eine Stiftung, die den Austausch zwischen Wissenschaft und Handel unterstützt und den akademischen Nachwuchs fördert. Wir sind ideeller Träger der Euroshop bzw. der EuroCIS, der weltweit größten Investitionsgütermesse des Handels, die kennen Sie wahrscheinlich und wir verleihen auch Awards, haben eine Zeitschrift, eine Statistik-Datenbank mit ca. 18.000 Diagrammen und Statistiken zu Handelsthemen und wir haben interessante Tochterfirmen und eine 70-jährige Geschichte, aber insgesamt würde das den Rahmen hier sprengen. Wer mehr wissen möchte, sollte am besten Mal auf der Website nachsehen oder bestellt einfach unseren Newsletter.

Michael Scheffler:

Ein riesiges Spektrum, Wahnsinn.

Ulrike Witt:

Ja, definitiv.

 

Handel in Deutschland
Michael Scheffler:

Frau Witt, wenn wir über den Handel in Deutschland sprechen, würde mich mal interessieren, wie viele Menschen arbeiten eigentlich dort in der Branche und welche Unternehmen sind das so? Haben Sie da ein paar Insights für uns oder Facts and Figures, wie man so schön sagt?

Ulrike Witt:

Laut Bundesagentur für Arbeit arbeiten 3,1 Mio. Menschen für den Handel in ca. 300.000 Einzelhandelsunternehmen in Deutschland. Ein Viertel davon etwa sind Minijobber. Die anderen 75 Prozent, der größere Teil, das sind sozialversicherungspflichtig beschäftigte Menschen, gleichermaßen verteilt auf Teil- und auf Vollzeit. Es ist Frauenpower. Es sind etwa 67 Prozent weiblich und 33 Prozent männlich, also zwei Drittel zu ein Drittel. Das als Übersicht. Die drei klassischen Ausbildungsberufe im Einzelhandel z. B. Kaufmann/Kauffrau Einzelhandel oder Großhandel und VerkäuferIn machen 10 Prozent aller Ausbildungen in Deutschland aus. Das ist schon ein großer Batzen.

Michael Scheffler:

Das ist eine Ansage.

Ulrike Witt:

Genau und auch ein interessanter Fact ist, dass 84 Prozent aller heutigen Führungskräfte, ich weiß nicht, ob das in Zukunft auch so sein wird, die verfügen über eine berufliche Ausbildung. Also Karriere mit Lehre, da ist der Handel ziemlich einzigartig. In Deutschland im Schnitt sind es nämlich nur 54 Prozent.

Michael Scheffler:

Also durchaus eine sehr relevante Branche. Danke für diese Zahlen. Eine Zahl haben Sie gerade schon erwähnt gehabt, diese rund 850 Mitgliedsunternehmen, die das EHI zählt. Können Sie uns da ein paar Unternehmen namentlich nennen und vielleicht auch ein bisschen was zu Größe und Struktur dieser Unternehmen sagen? Im Handel gibt es ja eine ganze Reihe von Spezialsituationen, nenne ich es mal, also eine Besonderheit, die mir persönlich von unseren Kundenprojekten her geläufig ist, ist das Filialgeschäft, also eine sehr dezentrale Organisation und da gibt es sicherlich noch ein paar andere Spezialitäten.

Ulrike Witt:

Das sind viele. Ich nenne hier mal Händler wie Edeka, Rewe Group, Otto Group, C&A, aber auch Hersteller wie Nestlé oder Unilever und um mal so grob die Struktur, ein Beispiel, könnte man Edeka mal nehmen. Edeka ist ein genossenschaftlich organisierter Unternehmensverbund, bei denen die Zentrale sieben Regionalgesellschaften und auch die selbstständigen Händler das Unternehmen steuern, also sehr dezentral im Grunde. Ein anderes Beispiel ist die Rewe Group. Da gehören 6.000 Rewe-, Penny- und Nahkauf-Märkte dazu, aber auch eigene Produktionsbetriebe wie eine Bäckerei oder eine Metzgerei. Oder, um nicht nur Lebensmittler zu nennen, die Otto Group. Ursprünglich war das ja einfach mal ein Versandhaus. Wer kennt nicht den Otto-Katalog? Und heute ist es eine international tätige Handels- und Dienstleistungsgruppe mit 30 Unternehmensuntergruppen u. a. im Bereich Handel, Services und Finanzdienstleistungen. Es ist also sehr, sehr unterschiedlich und sehr komplex. Das macht die Umsetzung von strategischen Maßnahmen manchmal etwas aufwändig. Alle mitzunehmen ist hier die Herausforderung. Also gerade im Bereich Personal merken wir, da wird in der Zentrale z. B. etwas geplant, umzusetzen ist es aber letztlich in den Filialen. Da müssen die FilialleiterInnen schon mitspielen. Zu unseren Mitgliedern zählen aber auch kleine mittelständische Unternehmen. Die Kernfragen betreffen aber alle gleichermaßen. In unserer Forschung unterscheiden wir v. a., wo die Menschen arbeiten, auf der Fläche oder im Büro.

 

Personalentwicklung für die Personalverantwortlichen
Michael Scheffler:

Große, namhafte Unternehmen, ein paar davon dürfen wir auch zu unseren Kunden zählen, da fühle ich mich gerade angesprochen. Sie forschen ja im Bereich Personal, das ist ja auch das Thema, das uns umtreibt. Sie haben Anfang 2022 genau unter diesen EHI-Mitgliedsunternehmen eine Befragung durchgeführt bzw. eine Studie erhoben und die wurde im April veröffentlicht. Der Name dieser Studie lautet: „Personalentwicklung im Handel 2022 – Talentmanagement und Development im deutschen Einzelhandel“, also sehr spannendes Thema, wie ich finde. Deswegen würde ich hierauf im Folgenden etwas tiefer zu sprechen kommen. Frau Witt, warum ist Personalentwicklung für die Personalverantwortlichen im Handel denn so wichtig? Warum haben Sie genau dieses Thema für Ihre Befragung gewählt?

Ulrike Witt:

Also wir haben Anfang letzten Jahres, also 2021, persönliche Interviews mit den Personalverantwortlichen der Branche durchgeführt und da haben 70 Prozent der Befragten gesagt, dass Personalentwicklung mega weit oben auf der Agenda steht. Wir hatten gefragt nach den kommenden Themen, die besonders wichtig sind. Da geht es auch um die klassische Weiterbildung natürlich, aber die HR-Profis meinten auch, dass Mitarbeitende im Rahmen der digitalen Transformation zukunftsfit gemacht werden müssten. Einerseits führen die Veränderungen von Prozessen in dieser digitalisierten Arbeitswelt und auch immer mehr digitale Formen der Zusammenarbeit zu höheren Anforderungen an das Personal und das führt natürlich zu einem erhöhten Schulungsbedarf. Zum anderen ist die schwierige Lage auf dem Arbeitsmarkt, die wir ja alle kennen, erfordert ein verstärktes Re- und Upskilling von QuereinsteigerInnen. Und, was man auch nicht vergessen sollte, sind die Erwartungen der schon vorhandenen Mitarbeitenden, aber auch potenzieller KandidatInnen in Bezug auf eigene Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten. Das spielt natürlich im War of Talents eine sehr große Rolle, damit man die überhaupt bekommt und hält im Unternehmen.

Michael Scheffler:

Also viele Themen, die auch außerhalb vom Einzelhandel die Unternehmen umtreiben. Was waren denn die wichtigsten Erkenntnisse bzw. die Top-Themen?

Ulrike Witt:

Ich würde einfach mal so sagen, rund zwei Drittel der Befragten haben angegeben, dass der Bereich Personalentwicklung aktuell von großer bis sehr großer Bedeutung ist. Das hatten wir in den Interviews auch schon angedeutet, das war jetzt nochmal eine quantitative Umfrage hinterher. Das gilt im Übrigen gleichermaßen für die Zentralen als auch für die Filialen. Das ist ja nochmal ein Unterschied. Und für die Zukunft erwarten sogar knapp 80 Prozent, dass es noch weiter an Bedeutung zunimmt. Das spiegelt sich auch in den Budgets. Das ist ja immer ganz interessant zu sehen, weil man kann ja viel sagen, wenn der Tag lang ist, aber so ist tatsächlich in den letzten drei Jahren bei über der Hälfte der teilnehmenden Unternehmen das Budget schon gestiegen und die deutliche Mehrheit, ich glaube 70 Prozent, erwartet weiter ein steigendes Budget. Das sagt schon sehr viel auf, wie viel Gewicht auf dem Thema Personalentwicklung liegt.

 
Fachkräftemangel im Handel
Michael Scheffler:

Ja ein Top-Thema, was Sie auch im Vorgespräch erwähnt hatten, ist das Recruiting bzw. der Fachkräftemangel, der ja nicht zuletzt seit Corona allgegenwärtig ist. Warum fehlt es denn Ihres Erachtens an Fachkräften jetzt im Allgemeinen gesprochen oder im Handel im Besonderen?

Ulrike Witt:

Zum einen ist es die schiere Masse, die gebraucht wird. Wie gesagt, es gibt ja rund 3 Mio. Beschäftigte im Handel, die müssen ja irgendwo herkommen. In den nächsten Jahren gehen die Babyboomer in Rente und es kommen nicht genug junge Menschen hinterher. Das betrifft natürlich nicht nur den Handel, aber halt auch den Handel. Außerdem mangelt es an der Qualifikation möglicher KandidatInnen. Das liegt zum einen daran, dass immer mehr Abitur machen und dann auch studieren wollen. Die haben dann einfach keine Lust auf eine Lehre. Die Lehre ist halt der klassische Einstieg in die Branche. Diejenigen, die sich doch für den Weg in den Handel interessieren, sind nicht immer ausreichend schulisch gebildet, um das mal vorsichtig auszudrücken. Da muss von den Unternehmen nachgeschult werden.

Das liegt zum einen daran, dass junge Leute mit einem Haupt- oder Realschulabschluss heute tatsächlich im Durchschnitt weniger gelernt haben als, ich sage jetzt einfach mal, vor 40 Jahren. Also das wissen wir auch aus Gesprächen mit den Personalverantwortlichen. Gleichzeitig sind die Anforderungen an Fachkräfte gestiegen. Nicht zuletzt wegen der Digitalisierung und auch die Vernetzung mit dem e-commerce und dergleichen. Ein weiterer Punkt ist, was für den Handel besonders schwerwiegend ist, dass das Image des Handels nicht das Beste für junge Menschen ist. Die Arbeitszeit, die Bezahlung, der Coolnessfaktor, daran könnte man allerdings noch arbeiten als Händler.

 

Wie gehen HR-Abteilungen im Handel mit dem Fachkräftemangel um?
Michael Scheffler:

Wie gehen jetzt die HR-Abteilungen im Handel diesbezüglich vor? Existieren da Ihrer Erfahrung nach ausgefeilte Konzepte, Personalentwicklungsstrategien oder wird das Thema eher vernachlässigt? Was ist da Ihr Fazit?

Ulrike Witt:

Vernachlässigt wird das Thema ganz sicher nicht. Die Händler wissen natürlich wie wichtig gute Leute sind. Die sind im Allgemeinen auch sehr aufgeschlossen neuen Technologien gegenüber, die z. B. das Recruiting oder das Learning erleichtern. Strategische Planung allerdings, die aktuelle und zukünftige Anforderungen des Unternehmens mit den Fähigkeiten und Ansprüchen der MitarbeiterInnen abgleicht und entsprechend durch Schulungen zusammenbringt, das ist tatsächlich noch nicht bei allen vorhanden. Um die Personalentwicklungen strategisch planen zu können, müssten ja MitarbeiterInnen adäquat gefördert werden und dazu müsste man deren Wissen und Skills ja irgendwie erheben. Man müsste ja wissen, was die schon können und das geht z. B. mit Hilfe einer entsprechenden Software. Da ist aber noch sehr viel Luft nach oben. Allerdings gibt es auch die passende Software natürlich noch nicht so wahnsinnig lange. Ich denke, da wird sich noch einiges tun.

Michael Scheffler:

Welche Ziele werden mit diesen Konzepten verfolgt oder welche Maßnahmen im Detail ergriffen? Hat da Ihre Studie auch Erkenntnisse zutage gefördert?

Ulrike Witt:

Generell, das hat natürlich nicht nur die Studie zutage gefördert, investieren Unternehmen ja in die Personalentwicklung, um ihre Positionen alle mit adäquat qualifiziertem Personal besetzen zu können und Fluktuationen zu vermeiden und auch attraktiv für zukünftige MitarbeiterInnen zu sein. Konkret zielen die in unserer Studie befragten HR-Verantwortlichen mit ihren Maßnahmen vor allem auf die Sicherung des Fach- und Führungskräftebestandes und auch auf das Erkennen und das Fördern von Nachwuchskräften und von SpezialistInnen. Auch die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit gehört natürlich dazu und auch die Leistungsmotivation und Zufriedenheit von MitarbeiterInnen zu verbessern, damit die halt auch im Unternehmen bleiben. Was ich dabei ganz interessant finde, den konkreten Output von durchgeführten Schulungen messen nur knapp die Hälfte. Davon haben einige herausgefunden, dass es z. B. mehr interne Aufstiege gibt und dass Veränderungsprozesse besser angenommen werden, also dass es schon ganz wichtig ist, die konkret zu schulen dann.

 

Software bzw. Software-Unterstützung für HR-Abteilungen im Handel 
Michael Scheffler:

Welche Rolle spielt dann Software bzw. Software-Unterstützung in dem Zusammenhang? Sie haben gerade Schulungen angesprochen, dafür braucht es ja in der Regel eine professionelle Lösung, also z. B. auch ein SAP SuccessFactors, die cloudbasierte Lösung aus dem Hause SAP, für die wir ja bei Projekt0708 stehen. Wie sind da Ihre Erfahrungen?

Ulrike Witt:

In Bezug auf SAP und Co. sind natürlich Sie der Experte. Wir haben nur ganz allgemein nach softwaregestütztem Lernen gefragt ohne Marken oder dergleichen. Grundsätzlich kann man sagen, dass nur rund die Hälfte der Befragten aktuell Software für Schulungen und Weiterbildungen etc. einsetzt, aber E-Learning-Formate sind nicht zuletzt aufgrund der Pandemie stärker in der Fokus gerückt, da auf diese Art z. B. Präsenzveranstaltungen vermieden werden können. Die digitalen Schulungen haben natürlich auch den Vorteil, dass Personal aus dem Blue Colour Bereich, also z. B. die MitarbeiterInnen im Verkauf oder der Logistik, die können leichter an Weiterbildungsangeboten teilnehmen, da die Lerninhalte natürlich orts- und zeitflexibel abrufbar sind. Außerdem, das finde ich auch wahnsinnig wichtig, können natürlich digitale Lernangebote sehr individuell auf einzelne Mitarbeitende angepasst werden. Die fördern auch selbstbestimmtes Lernen, eigenverantwortliches Lernen und tragen damit natürlich zur Motivation bei. Um all diese Maßnahmen durchzusetzen, wird alles, was so nötig ist, wird in den nächsten Jahren der Anteil an E-Learning oder Blended-Learning oder wie auch immer man das nennen mag, sicher weiter zunehmen.

Michael Scheffler:

Das überrascht mich jetzt ein wenig, wenn Sie sagen „nur die Hälfte der Unternehmen setzt da auf professionelle Lösungen“. Können Sie sich das erklären?

Ulrike Witt:

Ja, man muss natürlich sagen, wir haben natürlich größere und kleinere Unternehmen. Die Großen machen das sicherlich alle. Die machen es aber auch nicht in allen Bereichen. Wir haben das jetzt auch gesehen, die Struktur von einem Edeka, das ist ja grundsätzlich ein sehr großes Unternehmen, da macht das vielleicht der selbstständige Händler nicht unbedingt. Es wird oft vorgeschlagen, aber es ist gar nicht so leicht das überall umzusetzen. Insofern denke ich, dass die, die das noch nicht machen, tendenziell die eher kleineren sind.

 

P78 Retail Community Event
Michael Scheffler:

Frau Witt, gegen Ende des Gespräches möchte ich noch auf ein Thema in eigener Sache zu sprechen kommen und zwar wir als Projekt0708 veranstalten am 08. September 2022 zusammen mit der SAP, aber auch mit Ihnen bzw. dem EHI das P78 Retail Community Event hier in München live und in Farbe sozusagen. Im Rahmen der Veranstaltung werden BranchenexpertInnen aus dem Groß- und Einzelhandel über die großen Trends unserer Zeit wie etwa New Work oder Digitalisierung, aber auch über Lösungsansätze diskutieren. Sie und Ihre Kollegin, die Frau Tuncer, werden ja ebenfalls anwesend sein und im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Arbeiten im Handel – Steinzeit oder Digitalisierung pur?“ teilnehmen. Können Sie uns etwas dazu sagen und schon etwas spoilern oder sogar einen kleinen Ausblick geben? Um was konkret wird es da in der Diskussion gehen? Worauf dürfen sich da unsere TeilnehmerInnen freuen?

Ulrike Witt:

Also richtig spoilern kann ich da leider noch nicht, weil wir das noch nicht vorbereitet haben, ist ja auch noch ein bisschen hin, aber grundsätzlich geht es natürlich um das Thema New Work, neues Arbeiten, neue Arbeitswelt und wo steht der Handel da. Da haben wir natürlich einiges zu sagen, weil wir denken, dass er auf einem ganz guten Weg ist. Der Handel ist da an Digitalisierung sehr interessiert und nutzt auch schon viele neue Technologien und wir finden es sehr spannend, was sich da gerade entwickelt und da werden wir sicher einiges...wir haben auch Studien z. B. zum Thema New Work gemacht und da wird sicherlich einiges kommen in dem Bereich von uns.

Michael Scheffler:

Ok. Wir dürfen also gespannt sind.

Ulrike Witt:

Auf jeden Fall.

 

Studie: ist New Work schon im Handel angekommen?
Michael Scheffler:

Super. Vielen Dank. Frau Witt, Sie sprechen gerade diese Studie um das Thema New Work an. Da habe ich angebissen. Das ist nämlich auch ein Thema, was unsere Kunden sehr umtreibt. Nicht nur im Retail-Bereich, vielleicht können Sie uns da noch etwas zu berichten. Ich könnte mir z. B. vorstellen, dass es ganz einfach ist zu unterscheiden zwischen Maßnahmen in der Konzernzentrale und in den Filialen, weil da sind ja schon krasse Gegensätze. Vielleicht können Sie da etwas zu sagen.

Ulrike Witt:

Da haben Sie auch Recht. Wir haben tatsächlich letztes Jahr diese Umfrage gemacht, letztes Jahr im Sommer irgendwann und eigentlich war unser Hintergedanke „ist New Work schon im Handel angekommen?“, was ist überhaupt New Work außer ein bisschen flexibel sein, digitale Transformation, es ist ja ein bisschen wabernd. Wir hatten eine schöne Definition, die habe ich jetzt nicht mehr so im Kopf, um das ein bisschen festzuzurren. Wir haben in der Umfrage hauptsächlich die Zentrale befragt, wir haben explizit für die Zentrale gefragt und hatten dann einen kleinen Sonderteil für die Filialen. Für die Zentralen erstmal gesagt, fanden wir ganz spannend, dass ein Großteil der befragten Unternehmen sich tatsächlich in einem New Work Transformationsprozess befand oder zumindest entsprechende Maßnahmen für die nächsten Jahre geplant hat. Zu dem häufigsten Maßnahmen gehört tatsächlich einfach nur Flexibilisierung von Arbeitsort und -zeit und die Digitalisierung von Prozessen, das ist ja nicht unbedingt alles New Work, aber es ist auf dem Weg dorthin.

Das ist auch eine der Erkenntnisse. Es ist auf jeden Fall ein Prozess. Es ist nicht so „jetzt ist bei uns New Work“, sondern es werden einzelne Facetten angenommen, eingebaut und geguckt „wie funktioniert es?“. Viele Dinge passieren erstmal in einem Pilotbereich. So haben wir das auch befragt. Oft sind es nur ausgelagerte Pilotbereiche, die schon ein New Work Arbeitsumfeld haben oder eigene Units, in denen das sehr stark ausgeprägt ist. Also Flexibilität von Arbeitszeit gehörte tatsächlich zu den Kernthemen. Das hat sich natürlich auch im Handel, in den Zentralen vor allem, sehr, sehr stark durch die Coronapandemie auch weiterentwickelt. Da sind sie insgesamt sehr weit. Dabei wird es auch bleiben. Was auch mit agilem Arbeiten, mit flexiblem Arbeiten zu tun hat, geht es ja auch um Hierarchie und hierarchische Strukturen. Das hatten wir auch abgefragt. Da ist der Handel noch nicht so wahnsinnig weit. Da herrschen insgesamt tendenziell noch die klassischen Top-Down-Entscheidungswege und die hierarchischen Strukturen. Manche haben uns auch gesagt, dass das in der Coronapandemie durchaus gewünscht war, dass es einer koordiniert und ansagt. Da kann man auch unterschiedlicher Meinung sein. Wenn die Unternehmen agil arbeiten bzw. mit agilen Methoden und Prozessen arbeiten, dann ist das oft in einigen Bereichen oder Projekten nur.

Was ich sehr spannend fand, wir haben uns auch Gedanken gemacht zu den Filialen, es ist noch sehr, sehr viel mehr natürlich, braucht man überhaupt noch Büros, wie sieht es aus mit der digitalen Kompetenz, wird die erfasst, wird die gefördert, wir haben sehr, sehr viele Punkte abgefragt. Es lohnt sich die Studie zu lesen. Was ich aber tatsächlich persönlich ganz spannend finde, ist der Part mit den Filialen. Bevor ich jetzt auf die Filialen eingehe, würde ich noch ein paar Zahlen nennen von den Unternehmen, die sich tatsächlich im Transformationsprozess befinden, das waren 64 Prozent und 10 Prozent planen eine. Drei Viertel der Unternehmen haben das tatsächlich vor und nur ein Viertel hat noch keinen und plant auch keinen digitalen Transformationsprozess in Richtung New Work. Das finde ich eigentlich ziemlich spannend. 48 Prozent, fast die Hälfte, haben eine Unit mit starker New Work Ausprägung. Das find ich für den Handel eigentlich ziemlich cool.

Bereiche, in denen Maßnahmen für New Work getroffen wurden, da haben wir geguckt „um was geht es da?“, 100 Prozent haben da geantwortet „ortsflexibles Arbeiten wollen sie möglich machen“, zeitflexibles Arbeiten haben auch noch 95 Prozent gesagt. Digitalisierung von Prozessen haben 90 Prozent angegeben. Dann aber auch Flexibilisierung von Strukturen, Prozessen und Abläufen 75 Prozent. Kommunikation anpassen an neue Formen, das haben auch 75 Prozent und auch 75 Prozent wissen, dass das mit einer Führungsschulung einhergehen muss. Also Führung muss anders gedacht werden.

Dann gibt es auch diese Dinge wie Unternehmenskultur und Sinnhaftigkeit, da haben immer noch jeweils 60 Prozent zugestimmt. Unsere Umfrage zeigt ein bisschen, dass der ganze Transformationsprozess von den Unternehmen als eine Aufgabe begriffen wird, die so gesamthaft voranzutreiben ist, dass es verschiedene Bereiche sind, die parallel bearbeiten werden müssen. Das kann man jetzt nicht einfach so drüber stülpen, da muss man sehr viele unterschiedliche Maßnahmen ergreifen. Wir hatten dann auch grob gefragt, wie sie den Fortschritt der unternehmensweiten Digitalisierung von Arbeitsprozessen einschätzen. Liegt er eher über 25 Prozent oder liegt er über 75 Prozent? Jeweils 39 Prozent haben gesagt „zwischen 25 und 49 Prozent“ und „zwischen 50 und 74 Prozent“ ist der Fortschritt der unternehmensweiten Digitalisierung von Arbeitsprozessen. Das ist also ein guter Mittelwert. Da ist noch viel Luft nach oben, aber es sind fast keine, die noch gar nicht da was groß machen. Digitalisierung in den ganzen Unternehmen, das bezieht sich auf die Zentralen, da sind sie schon sehr auf dem Weg, würde ich sagen. Das beinhaltet das ja auch. Ähnlich sah das auch aus, wir haben auch gefragt „wie fit sind ihre Leute überhaupt?“, also die digitale Fitness haben wir erfragt. Da war dann der Durchschnitt 3,5 von 6 möglichen Punkten.

Digitale Fitness kann auch noch ein bisschen weiter ausgebaut werden und da ist das Thema Personalentwicklung wieder gefragt, weil man muss halt die Menschen schulen. Das geht nicht von einem Tag auf den anderen. Wenn ich jetzt dann ganz kurz zu dem Exkurs Handelsfiliale komme, da ist es natürlich schwieriger. Da kann man weder Arbeitszeit flexibler machen und ortsflexibel schon gar nicht. Wir haben aber trotzdem gefragt, was die denken würden, wenn die MitarbeiterInnen in den Filialen ihre Arbeitszeit selbstbestimmt einteilen könnten, ob das zu Chaos führen würde oder nicht und das befürchten 74 Prozent. 74 Prozent glauben, dass wenn die MitarbeiterInnen in den Filialen ihre Arbeitszeit selbstbestimmt einteilen, also nicht, dass sie weniger arbeiten, dass das zu Chaos führen würde. Das finde ich schon sehr interessant. 52 Prozent glaubten auch, dass es einen unangemessen hohen Planungsaufwand bedeutet. Wir wissen tatsächlich aus Gesprächen mit Händlern, die das tatsächlich machen, das machen sehr wenige bisher, natürlich mit technologischer Unterstützung, dass das super funktioniert, dass es überhaupt kein Chaos ist und dass die MitarbeiterInnen definitiv zufriedener sind und es auch als gerechter empfinden. Eigentlich sollte sich das jeder nochmal genau überlegen.

Michael Scheffler:

Da schließt sich der Kreis zu dem P78 Retail Community Event, denn DM-Drogeriemarkt wird ebenfalls als Gast vor Ort sein und die sog. Mitarbeitereinsatzplanung von DM-Drogeriemarkt vorstellen, die wiederum ein Projekt war, das wir als Projekt 0708 mitbegleiten durften. Technisch geht es da um eine SAP Fiori Eigenentwicklung, die genau das möglich macht, nämlich selbstbestimmte Mitarbeitereinsatzplanung für die Leute in der Filiale. Das ist spannenderweise genau Gegenstand von diesem Vortrag.

Ulrike Witt:

Da passt das doch. Das ist doch wunderbar. Da bin ich sehr gespannt auf den Vortrag von DM, weil das ist wirklich etwas mega Wichtiges für die Zukunft. Ich weiß nicht, wie man die ganzen Generationen jetzt nennt, welche Generation das jetzt ist, X, Y, Z, wie auch immer, auf alle Fälle ist sinnhaftes Arbeiten einfach wichtiger geworden. Wenn man selber mehr Mitbestimmung hat, dann fühlt man sich einfach wertgeschätzter. Das ist halt mega wichtig heutzutage.

Michael Scheffler:

Absolut. Soweit ich weiß ist auch diese Studie, die Sie gerade zitiert haben, freizugänglich im Web. Dann würde ich diese nämlich noch in die Shownotes für die interessierten ZuhörerInnen verlinken wollen und dann kann man sich das auch im Detail angucken.

Ulrike Witt:

Sonst können Sie einfach auf ehi.org und dann auf den Bereich Personal oder auch den Bereich IT, da sieht man immer, welche Studien es gibt, welche was kosten, welche kostenfrei sind, wir haben sehr viele kostenlose Studien auch dabei. Insofern lohnt es sich vielleicht einfach mal ein bisschen zu stöbern.

Michael Scheffler:

Lohnt sich auf jeden Fall da mal vorbeizuschauen. Frau Witt, vielen Dank für diese ganzen spannenden Insights. Wir wären dann auch am Ende der heutigen Folge. Ich möchte mich ganz herzlich bedanken und freue mich auf das persönliche Gespräch und das Treffen im September.

Ulrike Witt:

Freue mich auch.

Michael Scheffler:

Vielen Dank.

 

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